Dienstag, 23. Mai 2017

Was es jetzt braucht

Am Weg nach Wien in meinem Zweitwohnzimmer alias ÖBB-Railjet


Viele Leute fragen mich, wie's mir mit dem neuen Stress geht, den ich seit Freitag hab. Ich muss sagen, es ist spannend und es ist herausfordernd, aber viel stressiger als sonst ist es auch nicht. Ich hab immer noch Zeit für meinen gelegentlichen Morgenlauf, ich hab die für meine Familie reservierten Zeiten und ich trink auch da und dort ein Glaserl. Ich fühl mich sehr gut unterstützt und getragen von vielen Menschen bei den Grünen und auch von meinen FreundInnen. Wir kriegen das alles sehr gut hin, weil ich von kompetenten Leuten umgeben bin und weil wir flexibel agieren können. Ich werd noch ein bißchen mehr unterwegs sein, aber alleine dieses Jahr war bin ich gerade auf meiner elften Fahrt nach Wien, das ist also nichts Ungewöhnliches. Soweit, sogut und ein ganz ernst gemeintes Danke an alle, die mithelfen.

Aber ab jetzt geht’s um was Anderes: Wir Grüne und alle die uns nahe stehen, haben fünf Monate Zeit für Überzeugungsarbeit. Ich erlebe folgendes Phänomen: Medien fragen mich bis ins kleinste Detail, wie das alles gehen soll, wer wie oft wo hin fahren wird, wie ich die Umfragen sehe, ob ich die ÖVP kritisieren darf (wait, what??) und wie wir die Doppelspitze organisieren, um mich am Ende eines Interviews dann zu fragen, warum wir eigentlich so wenig über Inhalte reden. Wir werden das ändern.

Ulrike Lunacek als Spitzenkandidatin hat einen riesengroßen Vorteil: Sie steht als parteiübergreifend anerkannte Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und als Siegerin der letzten EU-Wahl für etwas, noch bevor sie den ersten Satz gesagt hat. Und dann sagt sie viele kluge Sätze. Wir werden für eine starke Wahlbewegung die jetzt startet und im Herbst eine rechtspopulistische Regierung verhindert, genau das brauchen: Eine starke Spitzenkandidatin und eine Diskussion über Inhalte. Ich möchte an dieser Stelle nur drei Dinge anreißen, über die wir inhaltlich diskutieren werden:

Öffentliches Angebot: Was bisher von den Plänen der FPÖ gesickert ist, klingt bedrohlich. Eine Senkung der Staatsquote auf 40% klingt so harmlos – in Wirklichkeit bedeutet viel weniger Geld in öffentlichen Töpfen aber immer viel weniger Geld für das Gesundheitssystem, viel weniger Geld für die Pflege, viel weniger Geld für unsere Kindergärten und für unsere Schulen. Der engste wirtschaftspolitische Berater von ÖVP-Chef Kurz ist bisher auch mit skurrilen Ideen wie Ein-Euro-Jobs in Österreich aufgefallen. Hinter „Staatsquote senken“ steht meistens „Sozialabbau“. Da werden wir uns dagegenstellen, vor allem weil

Frauen vom Zusammenstreichen der öffentlichen Infrastruktur besonders betroffen sind. Das Frauenvolksbegehren, für das wir Grüne gemeinsam mit roten, schwarzen und parteiunabhängigen Frauen laufen werden, ist ein wichtiger Gegenpol zu diesen drohenden Entwicklungen. Wir müssen aber neben der Repräsentanz von Frauen in der Politik und Wirtschaft auch über das Schließen der Lohnschere, über Karenzregelungen (nicht nur Kinderkarenz, sondern auch Pflege!) und über das Kinderbetreuungsangebot reden. Wir haben da in Tirol in den letzten Jahren zum Mittelfeld aufgeschlossen, aber klar ist: Für echte gleiche Chancen am Arbeitsmarkt braucht es in der ganzen Republik ein ausgezeichnetes Angebot und einen Platz, wo Kinder gut aufgehoben sind und eine feine Zeit mit Gleichaltrigen und mit qualifizierten Personal haben. Zu einem guten Aufwachsen gehört auch eine intakte



Umwelt und echter Klimaschutz. Da sind neben den Klimaschutzverweigerern von der FPÖ auch Rot und Schwarz noch nicht am richtigen Weg. Wie am Beispiel der dritten Piste am Flughafen Schwechat rot, schwarz und blau in trauter Einsamkeit so taten und tun, als hätte es nie eine Klimavereinbarung von Paris gegeben, ist abenteuerlich. Wir lesen zwar regelmäßig von schmelzenden Polkappen, von versinkenden Inseln und von ganzen Branchen, die wegen des Klimawandels in Gefahr sind (Stichwort Skigebiete unter 1.500 Meter Seehöhe), aber wir diskutieren ernsthaft über weniger und nicht über mehr Klimaschutz. Wir Grüne werden hier ganz konkrete Vorschläge machen. Da werden unangenehme Dinge wie ein Ende des steuerlichen Dieselprivilegs sein und angenehmere wie leistbare öffentliche Verkehrsmittel dabei sein.

Ich will hier keine Programmdiskussionen vorwegnehmen und auch kein Wahlprogramm bekannt geben: Aber ich möchte anregen, dass sich die öffentliche Auseinandersetzung weg von Persönlichkeitsprofilen und Befindlichkeitsbeschau und hin zu den Themen dreht. Ich bin bereit, dazu alles mir Verfügbare beizutragen.


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