Dienstag, 13. September 2016

Nachdenkpausen

Foto: Naturpark Tiroler Lech


Sehr zum Ärger vieler Liftkaiser hat Wendelin Weingartner vor 25 Jahren eine "Nachdenkpause" ausgerufen. Der Tiroler Tourismuslandesrat und spätere Landeshauptmann wollte "nicht den undifferenzierten Wachstumskurs vor seiner politischen Zeit weiterverfolgen, der die Gletscher zu den Weizenfeldern Tirols abgestempelt hatte, die man schließlich ernten musste. Im Buch "Zeitzeugen im Gespräch"  über wichtige Tiroler Persönlichkeiten wird Weingartner mit dem Satz "Als naturverbundener Mensch habe ich geglaubt, dass das Land nicht zu allen Neuerschließungen ja sagen sollte. Dazu hatte es aber ein Konzept für eine nachhaltige Strategie benötigt."

Der mediale Sturm der letzten Tage, der über uns Grüne hereingebrochen ist, verdient eine Kommentierung: Es geht alles nicht schnell genug oder gar in die verkehrte Richtung, und wir Grüne bremsen zu viel. Das alles aufgepeppt mit dem einen oder anderen subtilen Untergriff. Dazu Stellung zu nehmen oder persönliche Grenzen aufzuzeigen ist in diesem Format der öffentliche Debatte nicht möglich, ja von vielen gar verpönt. Ich schließe bei Wendelin Weingartner an, von dem mich politisch sonst Einiges trennt: Ich glaube, wir leben in Zeiten, wo Nachdenkpausen not tun - wo man zuerst einmal festhalten muss, was es an Errungenschaften des nachhaltigen Umgangs mit der Natur und des Sozialstaats gibt. 

Die Beschleunigungsspirale der Haudrauf- und Horuck-PolitikerInnen fast aller Couleurs ist eine Beschleunigungsspirale nach unten - das wenigste davon (Stichwort Burkaverbot und andere kulturkämpferische Symbolforderungen) ist belegbar, rational argumentierbar oder ausreichend mit ExpertInnen besprochen. Es ist ein Wettbewerb der Schreihälse, die übersehen, dass man sie im Chor der Schreihälse nicht mehr hört und sich das Publikum mit Grauen abwendet. Ich bin dafür, die VertreterInnen der bedachten, leiseren Worte wieder mehr zu hören.

Die VertreterInnen der bedachten, leiseren Worte raten uns etwa davon ab, auf jeden Berg einen Lift zu bauen, sondern empfehlen, auf die unverbrauchte Natur als Alleinstellungsmerkmal zu setzen. Die raten uns davon ab, die Armen noch ärmer zu machen, wenn wir vermeiden wollen, den Nährboden für die nächsten gesellschaftlichen Konflikte aufzubereiten. Die raten uns dazu, viel Geld für Bildung in die Hand zu nehmen - für Integration und für gute Kinderbildung lange, bevor die Volksschule beginnt.

Das ist alles nicht so schlagzeilentauglich, wie die Schreihälse. Aber ich erinnere mich, wohin uns die Schreihälse gebracht haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen