Dienstag, 14. Juli 2015

Ist das noch mein Europa?

Wirtschaftliche Ultimaten fliegen durch die Medien, da ein gesunkenes Flüchtlingsboot, dort eine Asylunterkunft mit hunderten obdachlosen Menschen. Deutschland ist wieder wer und greift durch: Wer in und um Athen lebt, wird pauschal als faul, korrupt und schwer erziehbar gebrandmarkt. Die österreichische Innenministerin weiß sich gegen die Asylmisere nicht mehr anders zu helfen, als mit der Auslagerung der Menschenrechte und der Flüchtlingsunterbringung in die Slowakei - oder ist das alles böse Absicht, um die SPÖ weiter zu spalten, wie besonders versierte KennerInnen der Innenpolitik mutmaßen? Gegen die SüdeuropäerInnen müsse man besonders hart durchgreifen, weil die machen ja leidenschaftlich gerne Siesta, Dolce Vita und alles immer ohne Rechnung, wissen die sonnengebräunten Griechenland-, Italien- und Spanien-Erprobten, die selber ihre Steuererklärung auf Punkt und Beistrich korrekt machen.

Dieses Europa der Klischeereiterei, der Schuldzuweisungen und der wirtschaftlichen Erpressung ist nicht das Europa, mit dem meine Generation groß geworden ist - Europa als eine Hoffnung, als ein gemeinsames Versprechen, als gemeinsamer Lebens- und Wirtschaftsraum, der Grenzen zu überwinden vermag. Von einem Europa haben uns die weisen Älteren erzählt, das aus der Asche des Zweiten Weltkriegs erstanden sei, ein Europa des "Nie wieder" zum Faschismus und zu seinen VorbotInnen, dem Rassismus und der Unterdrückung.

Wir waren schon einmal näher dran an der Erfüllung zumindest einiger dieser Versprechen. In Griechenland sperren unter dem Druck der Gläubiger-Banken die Krankenhäuser zu, die Kindersterblichkeit und die Suizidrate steigen in den letzten Jahren dramatisch an. Das ist - Euro hin, Euro her - ein zivilisatorischer Rückschritt, den wir eigentlich nicht hinnehmen dürfen. Im Mittelmeer ertrinken jeden Monat hunderte Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben - und wenn sie es schaffen, schaffen wir keine ordentlichen Unterbringungsmöglichkeiten für diese so weit Gereisten.

Das sind zwei humanitäre Katastrophen, die dem Geist dieser Union zutiefst widersprechen: Dieses reiche Europa ist nämlich sehr wohl in der Lage, ein paar hundert tausend Menschen Unterschlupf zu gewähren und eine kleine Volkswirtschaft von der Größe eines deutschen Bundeslandes mitzutragen. Es braucht offenbar einfach noch länger Zeit, um in und mit Griechenland Reformen auszuarbeiten, die nicht zu humanitären Katastrophen führen. Ich weiß für diese beiden Dramen, die sich in unserer Mitte abspielen, noch keine schnelle Lösung. Aber ich weiß, dass wir eine brauchen werden.

Mittwoch, 1. Juli 2015

Neue Wege suchen




Das "Nein" zur Spange Hall bei der Volksbefragung in Mils ist ein klarer Auftrag an uns PolitikerInnen in den Gemeinden und im Land. Es gibt keine Mehrheit für die Spange in einer der beiden am stärksten betroffenen Gemeinden. Deswegen müssen wir zurück an den Start - und neue Wege suchen. Im konkreten Fall heißt das: Wir bauen den öffentlichen Verkehr aus mit einem neuen Buskonzept, das mehr Milserinnen und Milser ihren Bus näher an die Haustür bringt. Und wir müssen einen guten Anschluss an die Bahntrasse schaffen. Ihr kennt diese Bilder (wie oben) vom Platzverbrauch von Bussen und Autos im Vergleich - das sagt Einiges darüber aus, wohin wir unsere Prioritäten setzen sollten. 

Mit "neue Wege" meine ich aber auch die Entscheidungsfindung: Wir machen mit der Fernpassstrategie gerade vor, wie ein Prozess unter Beteiligung aller Interessensgruppen funktioniert: Wir laden breit ein und bringen die Betroffenen von Verkehrsproblemen mit den ExpertInnen zusammen. Die definieren gemeinsam die Problemlage und die Betroffenen schlagen ohne Scheuklappen und ohne Denkverbote Lösungen vor. Diese Vorschläge untersuchen die ExpertInnen dann mit ihren professionellen Methoden und legen schließlich entscheidungsfertige Vorschläge vor. Darüber entscheiden die Betroffenen und die PolitikerInnen gemeinsam. 

Wenn man so arbeitet, kommt kein Ergebnis heraus, bei dem fast die Hälfte der befragten Menschen unterliegt. Am Fernpass probieren wir jetzt einige Maßnahmen zur Entlastung aus, die auf diesem Weg erarbeitet worden sind. Wenn die Verkehrsmaßnahmen dort klappen, probieren wir sie auch andernorts aus. Ich würde auch den Prozess gerne anderswo ausprobieren: Breit angelegt und mit der Politik als Vermittlerin zwischen Betroffenen und ExpertInnen. Das sind die neuen Wege, die wir brauchen.