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Hochkonzentriert bei der Arbeit am eckigen Runden Tisch gemeinsam mit den beiden Verkehrsplanern Dr. Schmutzhard und DI Dr. Lintner. |
Ihr
kennt das aus Streitgesprächen, bei denen ihr SchiedsrichterInnen
sein sollt oder zum Vermitteln aufgerufen seid: Ihr hört zwei, drei
oder noch mehr verschiedene Geschichten, die sich widersprechen. Für
diese gute alte Konfliktsituation hat sich der Runde Tisch etabliert
– allerdings noch gar nicht so lange. Der sprichwörtliche Runde
Tisch steht in Warschau im Präsidentenpalast – hier haben 1989 die
Verhandlungen zum Übergang vom Realsozialismus zur
marktwirtschaftlichen Demokratie stattgefunden. Mittlerweile ist der
Runde Tisch diskreditiert und rangiert in einer Reihe mit dem
„Arbeitskreis“, der „Gesprächsrunde“ und dem
„Unterausschuss“ in der Hitliste der politischen
Verzögerungstaktiken ganz oben. Zu Unrecht.
Ganz
so historisch wie der originale Runde Tisch in Warschau war unser
Runder Tisch am Freitag in Innsbruck natürlich nicht. Wir waren auch
nicht ganz so viele – nicht 57, sondern 24 TeilnehmerInnen. Aber
der Runde Tisch zur Unterinntaltrasse hat den Beweis gebracht, dass
reden hilft. Den Beweis, dass die Handlungsfähigkeit der Politik und
die Verhandlungsfähigkeit der politischen AkteurInnen gegeben ist.
Den Beweis, dass gegensätzliche Interessen einen guten gemeinsamen
Nenner bringen können. Und letztlich den Beweis, dass Argumente
zählen.
Das
Ergebnis ist bekannt: Nach einem Jahr haben wir es gemeinsam
geschafft, dass die Menschen im Unterinntal an der alten Bahntrasse
in der Nacht ruhig schlafen können. Die Güterzüge werden in der
Nacht unten in der Trasse fahren, nicht oben an den
Schlafzimmerfenstern vorbei. Mir ist das wichtig. Mir ist aber
mindestens so wichtig, dass das wir das Vertrauen in die
Lösungsfähigkeit von Politik zurückerobern. Ich sehe das als wirkungsvollste Strategie gegen die Rechten.
Ich will einen
Blick hinter die Kulissen ermöglichen: Das Stressigste ist, dass
Medien vor der Türe stehen und danach möglichst schnell ein
Ergebnis wollen. Du gehst in diesen Runden Tisch rein und sollst
davor sagen, was herauskommen soll. Wenn du das nicht alles bekommst,
wirst du danach hören, dass du dich nicht durchgesetzt hast. Neben
dir steht das politische Gegenüber und soll sagen, was er oder sie
will, dass herauskommt. Er oder sie wird herauskommen und danach
hören, dass er oder sie sich nicht durchgesetzt hat. Dann kann es
passieren, dass zwei VerhandlungspartnerInnen eine gute gemeinsame
Lösung herausgearbeitet haben und sich öffentlich trotzdem beide
ausrichten lassen müssen, sie hätten verloren. Deswegen gehen die
Leute immer „ohne Worte“ in diese Sitzungen rein.
Und
dann weißt du vor der Sitzung nicht, was als Ergebnis herauskommt.
Dass das nicht im Vornherein feststeht, ist natürlich Voraussetzung
dafür, dass so ein Runder Tisch stattfindet. Wenn davor ausgepackelt
wäre, was am Ende steht, könnten sich die ExpertInnen die Anreise
und die Vorbereitung ja sparen. Und dann kommst du aus der Sitzung
heraus und musst in der Sekunde entscheiden, wie du das kommentierst.
Da ist keine Zeit für Überlegungen und Absprachen – da sind
PolitikerInnen abgeschnitten von PR-Beratung und von den vielen
EinflüstererInnen, die sich sonst immer einbringen. Ich mag das,
weil es die Urform der Politik ist: Alle unterschiedlichen Meinungen
sind an einem Tisch, alle gegenseitigen Vorwürfe überprüfbar und
alle Forderungen und deren Machbarkeit sind diskutierbar. Am Ende
kann nur ein gutes Ergebnis herauskommen, wenn man einen Kompromiss
findet, mit dem alle leben können. Und wenn das funktioniert, kommt
am Ende etwas Gutes heraus, so wie letzten Freitag.
Wir
hätten uns noch ein Jahr lang die Machbarkeit oder Nicht-Machbarkeit
des Güterzugverkehrs in der Unterinntal-Trasse über Medien
ausrichten können. Jetzt können wir den BürgerInnen im Unterinntal
gemeinsam sagen: Wir haben eine Lösung. Es ist nicht zu 100% das,
was der eine oder die andere wollte. Aber es bringt den Bürgerinnen
und Bürgern Entlastung. Und das ist letztlich eine der
Hauptaufgaben, die wir PolitikerInnen haben. Reden hilft.
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